Weißbach, 635 Meter hoch im Chiemgau gelegen, ist ein einziges großes Freilichtmuseum, das alpine Geschichte inmitten wilder Alpennatur, in mehreren Abteilungen sichtbar macht. Zurück in die Eiszeit weist der Gletschergarten mit seinen vom zurückweichenden Eis geschliffenen Blöcken und Töpfen, der 1934 beim Bau der Deutschen Alpenstraße erschlossen wurde. Diese Transversale wiederum folgt den Trassen der „Güldenen Straße“, die Kaiser Ludwig der Bayer 1346 als erste befestigte Handelsstraße anlegen ließ, sowie der „Alten Tiroler Reichsstraße“ von 1485, auf der vorwiegend Salz aus Reichenhall über die Grenze transportiert wurde.
Im Hochtal von Weißbach auch erreicht die erste Pipeline der Welt, die 1618 angelegte Soleleitung, bei der so genannten Himmelsleiter ihren höchsten Punkt auf der 19 Kilometer langen Strecke von Reichenhall nach Traunstein – heute ein beliebter, gut dokumentierter Wanderweg.
Von der Reiterbrücke aus erreicht man das Vordere Schwarzachental, wo noch bis in die 50er Jahre hinein eine Waldbahn das bis zur Bäckinger Klause gedriftete Holz transportiert hat.
Auf der anderen Talseite mündet bei einer Brücke der Höllenbachgraben ein, wo man entlang der Soleleitung unter dem Schadlosberg zur versteckten Höllenbachalm aufsteigen kann. Sinnige Namen: von der Himmelsleiter in die Höllengraben.
Den eigentlichen Höhepunkt an Naturschönheit jedoch erlebt der Wanderer in der Tiefe, in der Weißbachschlucht. Da hinunter steigt man am besten, wenn man nicht den Zugang durch schöne Auen vom Dorfzentrum her vorzieht, vom Mauthäusl, das schon 1650 mit einer Tafernwirtschaft verbunden und nach einem Brand von 1992 vier Jahre geschlossen war.
Mächtig ragen gleich die dunklen, felsigen Nordfluchten des Ristfeuchthorns bis auf 1569 Meter Höhe auf, so dass man, an der Sohle der Schlucht angekommen, den Eindruck ungeheurer Tiefe gewinnt. Auch dieser Name spricht für sich: der Weißbach ist extremes Wildwasser. Das Weiß der Gischten an den Kaskaden bringen die spärlichen Sonnenstrahlen, die zur Mittagszeit in den Schatten der Schlucht eindringen, wunderbar zum Leuchten. Ganz nah am Wasser windet sich der schmale Pfad, mal am einen, mal am anderen Ufer, mal auf, mal ab. Mit einem Gefälle von immerhin 26 Promille stürzt der Bach über Abfälle, die an Höhe zunehmen, bis ein „drehender“ Wasserfall von fast sieben Metern Höhe das Ende des Klamm-Abschnitts anzeigt.
Schwer vorstellbar, dass sich nach der Schneeschmelze, bis in den Juli hinein, kühne Kajakfahrer in diesen Gebirgsbach wagen. Diese - wie auch die Fußwanderer - erwarten als „Zugaben“, wie der offizielle Kanuführer warnt, quer liegende Bäume, Treibholzversperrungen an den Abfällen und sogar die Lafette eines Geschützes, das vermutlich als Relikt der legendären „Alpenfestung“ der Nazis von der Straße in diesen Höllenschlund gefallen war, auf welche Weise auch immer.
In anderthalb Stunden führt der Steig hinunter in den Ortsteil Schneizlreuth.
Dort, wo er einen Brückenpfeiler umrundet, könnte man ihn schon verlassen und ab Busstation Samerbrücke – Sam war die von einem Pferd der Samer getragene Last von 150 Kilo – zum Ausgangspunkt zurückfahren. Oder man steigt auf demselben Wildwasserpfad wieder hinauf, wobei sich neue Perspektiven böten, nun allerdings 120 Höhenmeter zu überwinden wären.
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